#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #56

Ein Ort der Stille und des Nachdenkens

Endlich, nach über einem Jahr des Wartens hielt ich voller Spannung das Buch des Community-Projekts in den Händen, um dann die Seite 30 / 31 mit „meinem Bild“ aufzuschlagen: Ein Bild des Schweizer Fotografen Werner Bischof, sein Werk Courtyard of the Meiji Temple, Tokyo Japan 1951.

Es zeigt drei Priester vor einer Mauer und im Hintergrund sehr hohe Bäume. Die Männer halten Regenschirme um sich vor dem fallenden Schnee zu schützen. Mein allererstes Gefühl war pure Erleichterung, denn meine größte Angst war ein Bild mit zahlreichen Menschen als Inspiration zu erhalten.

Details zum Bild und Fotografen:

Werner Bischof wurde 1916 in Zürich geboren und ist tragisch nach einem Verkehrsunfall 1954, mit nur 38 Jahren, ums Leben gekommen. Er galt als sehr empathischer Fotograf der Nachkriegszeit und war für seine Menschlichkeit, Gelassenheit und dem Sinn für das Schöne bekannt. Bischof wurde als erster Schweizer Fotograf von der Fotoagentur „Magnum Photos“ aufgenommen und mit seinen Bildgeschichten über „Hunger in Indien“ erstmals international bekannt. Anschließend folgten zahlreiche beeindruckende Kriegsbilder aus Korea und Nachkriegszeitbilder aus China und Japan. Werner Bischof hat viel Leid gesehen und wurde hierdurch stark geprägt.

Das Bild der Shintopriester zeigt klare Linien in Form von einer Mauer und Schönheit durch hohe Bäume. Die Priester halten Schirme, es rieselt Schnee. Die Stimmung wirkt leise. Das Bild ist in schwarz-weiß fotografiert.

Bildgestaltung:

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Gleich beim ersten Blick auf das Bild war mir klar, dass meine frühere Kollegin aus Indien meine Hauptperson werden musste, um wieder den Bezug zu Bischof herzustellen. Problematisch war allerdings die Suche nach dem passenden Ort. Wichtig war mir eine schöne Mauer mit besonderem Hintergrund. Ich habe mir die Suche leichter vorgestellt und war stundenlang unterwegs. Viele Mauern waren bunt beschriftet oder mit Grünpflanzen bewuchert. Kurz habe ich darüber nachgedacht, meinen Plan zu verwerfen und auf eine moderne Version mit Graffitiwand und Jugendlichen umzuswitchen, doch das wäre der falsche Stil gewesen. Ich wünschte mir einen Ort der Ruhe und Stille, den ich nach vielen Friedhofsbesuchen dann auch endlich fand: Ein Platz nahe der Kapelle strahlte für mich Ruhe und Frieden aus, ein See mit Gebäuden bot Harmonie und Schönheit, der Platz des Nachdenkens; für mich die perfekte Wahl!

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Schnee im Bild ein wichtiges Detail? Für mich persönlich nicht. Alternativen hierfür gab es auch nicht: Regen und Sand hätten das Gegenteil bewirkt, mein Ziel Schönheit und Stille zu zeigen wäre nicht zum Tragen gekommen, hätte den Blick für das Wesentliche nur abgelenkt.

Drei Tage später war es so weit. Wir wollten die Menschlichkeit, das Schöne im Leben - Bischofs Ideale - auf unserer Art widerspiegeln:

Eine fürsorgliche, liebende Mutter mit ihren Kindern und die spirituelle Aura der in sich gekehrten vorangehenden Frau, in Respekt und Bescheidenheit. Die Schönheit und Ästhetik des Augenblickes wurden festgehalten.

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Was kann Menschlichkeit und Respekt mehr ausdrücken als Mutterliebe oder ein Gebet?
Die Ruhe und Stille des Ortes lassen Mensch und Natur eins werden.
Danke an Rosani mit ihren Kindern Diana und Baby Navina und Thivyaa für das spontane Shooting.

Stuhr, 27.07.2021 Jutta Meyer