#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #70

Tom Wood: Stanley Road, Bootle, Liverpool, Merseyside, UK 1989 (S.166/167)

Tom Wood ist 1951 in Irland geboren und lebt jetzt in Wales. Es gibt einen Film der BBC über ihn, der mich sehr motiviert hat, mich auf seine Spuren zu begeben. Tom Wood wirkt sympathisch, humorvoll und offen. (Der Film mit dem Titel „What Do Artists Do All Day?“ ist noch zu sehen bei Vimeo.) In den 1980er und 1990er Jahren hat der Fotograf Situationen im öffentlichen Nahverkehr in Liverpool fotografiert: Personen, die auf den Bus warten oder im Bus fahren. Er hat dazu im Doppeldecker meist oben gesessen und hatte so eine ganz besondere Perspektive auf das Geschehen.

Das Foto Stanley Road ist wohl aus einem Bus in einen anderen hinein fotografiert worden. Ins Auge fällt vor allem eine Mutter mit zwei Kindern, wobei das Mädchen eher gelangweilt schaut, während der kleine Junge mit großen Augen neugierig aus dem Fenster guckt. In der Bank dahinter sitzen zwei ältere Frauen, die offensichtlich in ein Gespräch vertieft sind. Spiegelungen weisen auf das Geschehen außerhalb dieser Szene hin. Tom Wood mochte dieses Foto sehr und hat es 15 Jahre lang in seiner Wohnung hängen gehabt – vor allem weil ihm die Mutter mit den Kindern so gut gefiel. In der Familie wurde das Bild ironisch „Madonna mit Kind“ genannt.

Auch wenn mit sofort klar war, dass eine Fotografie einer Mutter mit ihren Kindern nicht nur wegen DSGVO schwierig ist, wollte ich sehr gerne auch ein solches Bus-Foto machen. Wie verhalten sich Menschen im ÖPNV, womit beschäftigen sie sich? Was hat sich grundlegend verändert seit 1989?

Die Perspektive von oben wollte ich gerne übernehmen und habe mich mit Fahrplan und Kamera bewaffnet bei uns in der oberen Etage ans Fenster gestellt. Eine Buslinie fährt in beide Richtungen durch unsere Wohnstraße. Leider war das Wetter die ganze Woche über sehr schlecht, so dass ich viel zu wenig Licht hatte, um in den Bus hinein zu fotografieren. Dazu kommt, dass heute viele öffentliche Verkehrsmittel abgedunkelte Scheiben haben und zusätzlich wegen der Witterungsverhältnisse der Dreck von der Straße an die Scheiben geschleudert wird. Keine gute Voraussetzung, um knackig scharfe Fotos zu machen. Also waren meine Fotos alle sehr pixelig, was auch mit den besten Instrumenten von Adobe nicht zu beheben war.

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Darum habe ich noch einmal umdisponiert und bin mit der Kamera in einen Bus gestiegen. Es dauerte eine ganze Weile, aber dann stieg eine Mutter mit Kind (an Krücken) ein und setzte sich so, dass ich sie gut fotografieren konnte. Ich habe sie gefragt, ob ich Fotos machen dürfe, wohl wissend, dass das dem eigentlichen Sinn von Streetfotografie widerspricht. So ist nun mein Foto entstanden, das ich nicht in SW umgewandelt habe, da Tom Wood ja in Farbe fotografierte.

Wie sehr viele Passagiere im ÖPNV hat der Junge sofort sein Handy rausgeholt. Auch die Person hinter Mutter und Kind war mit dem Handy beschäftigt. (Hätte das Mädchen in Tom Woods Foto schon ein Handy gehabt...) Die Maskenpflicht wegen der Corona Pandemie führt dazu, dass man die Gesichter der Personen nur halb sieht und die Kommunikation untereinander erheblich eingeschränkt ist.

mutter_mit_kind_handy-2.jpg

Zu meiner Person: Geb. 1952, „knipse“ ich schon seit meiner Jugend mit allen möglichen Kameras von Kodak Instamatic bis zu Panasonic Kompaktkameras. Vor 7 Jahren kaufte ich mir dann die erste Spiegellose von Olympus. Heute fotografiere ich in der Regel manuell mit meiner Olympus OMD 1 Mark III. Die Begeisterung für die Streetfotografie hat bei mir vor allem ein Webinar bei Frank Fischer im vergangenen Jahr geweckt. Da ich immer schon politisch engagiert war, ist die Streetfotografie für mich nochmal ein anderes Mittel, um einen Blick auf das tägliche Leben der „normalen“ Menschen zu werfen.

Mich hat die Beschäftigung mit der Arbeit von Tom Wood sehr bereichert und so inspiriert, dass ich in der nächsten Zeit Menschen des Ruhrgebiets aus dem Bus fotografieren möchte.

Vielen Dank noch einmal für diese tolle Projekt-Idee!!

Beate Scheffler